Fledermaustürme
Das EU-LIFE-Projekt Große Hufeisennase, das wir als Naturpark Hirschwald unterstützt haben, hat zwei so genannte Fledermaustürme im Bereich Kastl und Schmidmühlen errichtet. Der Schmidmühlener Turm steht auf dem Grundstück des Fischereivereins Schmidmühlen am Zieglerweg. Der Kastler Turm steht im Ortsteil Lauterach direkt am Radweg. Bei beiden Türmen ist das Obergeschoss aus Holz als Rückzugsort für die Fledermäuse gedacht ohne öffentlichen Zugang. Das Erdgeschoss aus Beton ist mit einer Sitzgruppe ausgestattet und ist frei zugänglich für Wanderer oder sonstige Interessierte. Der Bau der Türme wurde im Frühjahr 2018 fertiggestellt. Im öffentlich und frei zugänglichen Erdgeschossbereich haben wir als Naturpark innen an den zwei Betonseitenwänden je 4 Infotafeln angebracht, außerdem außen am Turm das Naturparklogo in konturgefräster Form.
Fledermausturm – was ist das eigentlich?
Die Idee zu Fledermaustürmen stammt ursprünglich aus den USA, wo solche Strukturen seit dem frühen 20. Jh. nachweisbar sind. Ihr Zweck war Fledermäuse zu fördern, um Insekten zu bekämpfen, speziell nachtaktive Moskitos als Malariaüberträger. Auch heute gibt es dort noch Fledermaustürme, in denen mehrere Hunderttausend Fledermäuse leben und deren abendlicher Ausflug eine Attraktion für Besucher ist, siehe hier.
Die beiden Fledermaustürme im Lauterachtal entstanden aus einer ähnlichen Idee: Fledermäusen ein Quartier zu geben, das vorrangig ihnen vorbehalten ist.
Die Standorte für die zwei Fledermaustürme wurden bewusst in einigen Kilometern Entfernung zum Fledermaushaus Hohenburg gewählt, um durch das Angebot von ungestörten Quartieren Trittsteine für eine weitere Ausbreitung zu schaffen.
In und an den Fledermaustürmen können sich alle bayerischen Arten einstellen, die auch sonst in und an Gebäuden sind.
Die Fledermäuse suchen je nach Temperatur die für sie angenehmen Bereiche im Quartier auf. Am wärmsten wird es oben im Dach, direkt unter dem First. Wird es den Fledermäusen dort zu warm, hängen sie sich weiter nach unten. Im Fledermausturm haben sie so drei Etagen. Als nachtaktive Wesen brauchen Fledermäuse am Tag ein Quartier, das ihnen Ruhe und Sicherheit bietet. Darum halten sie sich in den Türmen hauptsächlich tagsüber auf. Aber auch in der Nacht können sie hier mal eine Jagdpause einlegen oder sich zu einem Rendezvous treffen. Gebäude sind in erster Linie Sommerquartiere, weil die Dachböden oder Verkleidungen meist nicht frostfrei sind.
Die Einflugöffnungen sind so gestaltet, dass Beutegreifer, wie Katzen, Marder oder Greifvögel, am Eindringen gehindert werden. Ebenso ist das Obergeschoss des Turmes auch von unten her versperrt.
Fledermäuse finden auch in natürlicher Umgebung in Baumhöhlen oder Felsspalten Hangplätze. Dort sind sie aber nicht leicht zu finden. Zum Zweck einer möglichst störungsfreien wissenschaftlichen Überwachung (Monitoring) der Fledermauspopulationen ist daher ein Fledermausturm sehr gut geeignet, da entsprechend geschultes Personal leicht die Arten und die Anzahl der sich hier aufhaltenden Fledermäuse feststellen kann.
Ein paar Fakten: Fledermäuse ...
- sind keine Mäuse, sondern bilden eine eigene Tiergruppe.
- verschlafen nicht nur den ganzen Winter, sondern sind auch in der warmen Jahreszeit nur nachts aktiv und verstecken sich tagsüber. Während der Wintermonate leben die Fledermäuse „auf Sparflamme“. Im Winterschlaf schlägt ihr Herz sehr langsam, und sie atmen nur einmal pro Stunde. Dadurch sparen sie viel Energie.
- sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können. Die kleinsten heimischen Fledermäuse sind die Zwerg-, Mücken, und Nymphenfledermaus mit ca. 18 – 24 cm Spannweite und die größten sind der Große Abendsegler und das Große Mausohr mit ca. 35 bis 45 cm Spannweite.
- schlafen mit dem Kopf nach unten und halten sich dabei nur mit den Zehenkrallen fest.
- können nachts „sehen“. Die Fledermäuse senden über die Nase und/oder das Maul Ultraschalllaute aus, die wir nicht hören können. Diese Laute werden von Hindernissen und Beuteinsekten zurückgeworfen und erlauben der Fledermaus, ein „Hörbild“ von ihrer Umgebung zu erstellen. Dadurch können sie sich auch in völliger Dunkelheit sicher fortbewegen.
- sind in Europa alle Insektenfresser. In den Tropen gibt es Arten, die sich von Früchten und Nektar ernähren. Nur drei südamerikanische Arten von den etwa 1300 Fledermausarten auf der Welt ernähren sich von Blut.
- haben einen Kot, der ein sehr wertvoller Dünger ist.
- werden recht alt – über 30 Jahre!
- bringen meist nur einmal im Jahr ein Junges zur Welt. Dieses muss sich gleich nach der Geburt im Fell der Mutter festkrallen und schon bald allein hängen können, wenn die Mutter auf die Jagd ausfliegt.
- sind leider inzwischen stark gefährdet durch das Verschwinden von Quartieren (Verschluss von Gebäudeöffnungen, Störungen in Höhlen) und den Rückgang der Beuteinsekten (Insektenvernichtungsmittel).
- werden in vielen Ländern als Symbole für Geister, Tod und Krankheit gesehen und dementsprechende gefürchtet. Ein alter Aberglaube (aber nur ein Aberglaube!) besagt, dass herumfliegende Fledermäuse sich in den langen Haaren von Mädchen und Frauen verheddern.
- sind dagegen in China Glücksbringer. Die Wörter „Fledermaus“ und „Glück“ werden gleichlautend „fú“ ausgesprochen.
- haben Romane, Kinofilme und einen Comic-Helden inspiriert. Aus Südosteuropa kommen viele Legenden über blutsaugende Vampire. Darauf beruht auch der Dracula-Roman des irischen Schriftstellers Bram Stoker. Dagegen ist „Batman“, eine amerikanische Comicfigur von 1939, ein Superheld.
- waren schon vor 500 Jahren die Vorbilder für eine Erfindung: der berühmte Maler und Bildhauer Leonardo da Vinci ließ sich von Fledermausflügeln zu einer Flugmaschine inspirieren.
Fledermauskästen
Im Naturpark Hirschwald kommen aktuell 19 der 24 deutschen Fledermausarten vor.
Für die überwiegend waldbewohnenden Fledermausarten (z.B. Bechstein-, Wasser-, Mopsfledermaus, Gr. Mausohr, Gr. Abendsegler, Braunes Langohr) wurden im Naturpark Hirschwald über 500 Fledermauskästen an Bäumen aufgehängt. Aufgrund eines Mangels an natürlichen Baumhöhlen bieten sich menschengemachte Kästen als Alternative an. Um nun für Fledermäuse Trittsteine um den ganzen Naturpark herum zu schaffen, wurden auch die linearen und baumbestandenen Ränder der Radwege als Standorte für die Fledermauskästen genutzt. Dadurch wurde, ausgehend von den beiden Fledermaustürmen in Kastl-Lauterach und in Schmidmühlen ein großer Bogen von Kastengruppen um den ganzen Naturpark gespannt und so ein großer Verbund an Quartieren geschaffen.
Die Anbringung von Fledermauskästen entlang dieser linearen Strukturen an den Rändern der Radwege hat mehrere positive Effekte abgesehen vom primären Effekt einer Artenhilfsmaßnahme. Die Öffentlichkeitswirksamkeit ist groß, da vorbeikommende Personen darauf aufmerksam werden. Zusätzlich können auch gezielte Bewusstseinsbildungsmaßnahmen durchgeführt werden wie spezielle Führungen. Die Kontrolle, Wartung und das Monitoring der Kästen können ebenfalls logistisch leichter durchgeführt werden.
Die Standortwahl für die Kästen fand in enger Absprache und unter Anleitung des Gebietsbetreuers Rudolf Leitl statt. Der Ranger des Naturparks, Christian Rudolf, hängte die Kästen auf.